Ausgangspunkt & Zielsetzung

Der Blick in die Maschine

Computer sind heute allgegenwärtig. Sie sind als Werkzeug und interaktives Medium in jegliche Prozesse integriert. Die digitalen Rechenprozesse, die dabei stattfinden, weisen einzigartige Eigenschaften und Fähigkeiten auf. Darin liegt oft ihr großer Mehrwert und ihre Faszination. Gleichzeitig sind sie nicht direkt wahrnehmbar, gigantisch groß und unabhängig von physikalischen Gesetzmäßigkeiten. [^ vgl. Maeda, John (2019): How to speak Machine. Computational Thinking for the Rest of Us, New York: Penguin Random House] Sie entfremden sich von uns Menschen Vertrautem.

Auch entwickeln sich Computer ständig und mit hoher Geschwindigkeit weiter (erst kürzlich erhielt mit dem Durchbruch in der Entwicklung von LLMs und sogenannter künstlicher Intelligenz eine völlig neue Art des Computings Einzug in unseren Alltag) und wir erleben einen konstanten Wandel in der Art, wie wir ihnen begegnen und sie wahrnehmen.

Das stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu gestalten. Mit verschiedenen Abstraktionen und Vereinfachungen, meist in Form von grafischen Oberflächen, behelfen wir uns die zunehmende Komplexität der Geräte und virtuellen Prozesse nutzbar zu machen. Anwender:innen überlassen dadurch immer mehr das Verständnis über die Werkzeuge, die sie bedienen den Menschen, die sie entwickelt haben. Der Prozess wird ungreifbar und wir interagieren mittlerweile mit komplett künstlichen Konstrukte, deren zugrunde liegende Technologie verborgen bleibt.

Mit dieser Arbeit möchte ich einen Blick in die Maschine wagen und diese verlorene Greifbarkeit ein Stück weit zurückholen. Sie exploriert Ansätze, direkter und transparenter mit digitalen Werkzeugen zu interagieren und wirft dabei einen Fokus auf den Computer als kreatives Werkzeug.

Creative Computing

In vielerlei Hinsicht hat der Computer das kreative Arbeiten revolutioniert. Er hat viele Prozesse vereinfacht, beschleunigt und demokratisiert. Sei es Schriftsetzung, Animation oder dreidimensionales Gestalten – vieles, was zuvor große Maschinen, aufwendige Arbeitsprozesse, Fachwissen und Zusammenarbeit vieler Menschen erforderte, kann heute von einer Person mit einem Gerät und wenigen Handgriffen bewerkstelligt werden.

Dadurch das so alle Arbeitsprozesse an einem Punkt stattfinden, finden diese allerdings auch weitgehend losgelöst von räumlichen und situativen Kontext statt. Das spontane Sammeln und Einbringen von Informationen und Objekten aus dem Wahrnehmungsfeld wird verhindert. Wir neigen dazu, weil der Computer alles kann, auch alles mit ihm zu lösen.

Die dabei üblicherweise verwendete Software ist oft lediglich eine Simulation analoger Prozesse, die um kleine digitale Erweiterungen, wie die immer verfügbare Rückgängig-Funktion erweitert wird. Selten findet eine direkte Interaktion mit den logischen Fähigkeiten des Computers statt.

Durch Verwendung abstrahierter Systeme und Losgelöstheit von tatsächlich stattfindenden Prozessen, entsteht eine Abhängigkeit von Konzernen, die Geräte und Software entwickeln.

Und nicht zuletzt kann die Interaktion mit universellen Eingabemethoden, wie Mäuse, Tastaturen und Touchscreens, die wir meist verwenden, nur einen Bruchteil der physischen und körperlichen Wahrnehmung, die wir in den Prozess einbringen können, abbilden.

»With an entire body at your command, do you seriously think the Future Of Interaction should be a single finger?« [^ Victor, Bred (2011): A brief Rant on the Future of Interaction Design, https://worrydream.com/ABriefRantOnTheFutureOfInteractionDesign/ (Abruf: 28.06.2024)]

Ziel der Arbeit ist also auch, die verlorene Körperlichkeit in den kreativen Prozess zurückholen und die konkreten Vorteile von digitalen (und analogen Methoden) zu erschließen.

Ansatz & Aufbau

Diese Arbeit entsteht aus einer persönlichen Faszination, sowohl für den digitalen als auch den kreativen Prozess. Sie stellt sich die Frage wie beides voneinander nachhaltig profitieren kann und wie natürliches, menschliches Handeln im Zentrum der Interaktion mit computer-basierten Werkzeugen stehen kann.

Der Begriff »tangible« oder auch im Deutschen »Greifbarkeit« überspannt das Thema und ist dabei sowohl im wörtlichen Sinne als das »physisch Anfassbare«, als auch im übertragenem Sinne als das »gedanklich Begreifbare« zu verstehen.

Der Ansatz dieser Arbeit ist explorativ und verbindet verschiedenste Ideen und Thematiken. Vieles davon ließe sich im Detail noch wesentlich genauer beleuchten und ist daher im Rahmen dieser Arbeit eher als Ansatz und Verknüpfungspunkt zu verstehen.

Gestalterisches Ergebnis ist komputer.space ein offenes Modell einer digitalen wie analogen Kreativwerkstatt. Das komplette Projekt in verschiedenen Bestandteilen ist auf gleichnamiger Website dokumentiert (→ https://komputer.space) Die verschiedenen Elemente umfassen unter anderem:

  1. Ein digitales Notizbuch des gesamten Prozesses. Hier sind Prototypen, experimentelle Interaktionskonzepte, kurze Texte, Gedanken, Ideen und Zwischenstände der Arbeit dokumentiert. (→ https://notebook.komputer.space)
  2. Eine Toolbox quelloffener Gestaltungs-Software, die im Rahmen der Arbeit entwickelt und für den Einsatz mit Tangible Interfaces optimiert wurde. (→ https://toolbox.komputer.space)
  3. Eine Reihe von physischen Interfaces in Form von selbst entwickelten Objekten oder Schnittstellen zu bestehenden Geräten, die sich in Verbindung mit dieser Software nutzen lassen.(»kontroller« genannt)
  4. Ein Handbuch, das Hardware- und Software-Elemente dokumentiert, sowie Anleitungen und Ressourcen zur Verfügung stellt, um diese nachzubilden bzw. zu adaptieren. (→ https://komputer.space/handbook)
  5. Ein Werkstattmodell mit Kreativmethodik unter der Anwendung oben genannter Werkzeuge. Mit prozesshaften Enblicken und visuellen Entwürfen werden verschiedene Erkenntnisse der Arbeit in konzeptioneller und ästhetischer Form reflektiert. (→ https://komputer.space/workspace)

In vorliegender Thesis wird das ganze durch eine Verwebung von theoretischen Betrachtungen und Recherchen mit Auszügen aus dem praktischen, gestalterischen Prozess (durch Einschübe gekennzeichnet), reflektiert. Letztere sind dokumentarisch und in unterschiedlichen Stadien der Auseinandersetzung mit dem Thema festgehalten.

Die folgende Arbeit ist in drei Teile gegliedert, die als verschiede, gleichwertig relevante Perspektiven auf denselben Themenkomplex zu verstehen sind. Teil I beschäftig sich mit dem Begriff des Tangible Computing im klassischen Sinne, als kontextualisierte, verkörperlichte und physische Interaktion mit Computern. Der zweite Teil wirft einen genaueren Blick darauf, wie der Computer greifbar in kreative (Gestaltungs-)prozesse integriert werden und diese effektiv bereichern kann. Und zuletzt geht es um Ansätze, wie diese Modelle tatsächlich durch offene Strukturen im gesellschaftlichen Kontext zugänglich gemacht und umgesetzt werden können.